Verständnis der Offenbarung des Johannes

Die Offenbarung gehört von ihrer Gattung her zu den sogenannten „apokalyptischen (Enthüllungs-) Schriften“. In dieser Literatur wird in symbolhafter verschlüsselter Bildsprache der Lauf der Weltgeschichte bis hin zum Weltende aus geistlicher Sicht beschrieben. Wie sollte das auch sonst anders beschrieben werden? Aus dem Alten Testament gehören dazu Teile der Bücher Daniel (Da. 7 ff.), Hesekiel (Hes. 38 ff.), Sacharja und Jesaja. Daneben wucherte aber im Judentum eine vielfältige apokalyptische Literatur mit Spekulationen, Wunschträumen und Zeitberechnungen. Diese Literatur fand keinen Eingang ins Alte Testament und Jesus wendete sich auch gegen die endzeitlichen Spekulationen, die zu seiner Zeit ihren Höhepunkt erreicht hatten (Mt. 24, 36; 25, 13; Apg. 1, 7).

 

In der Offenbarung des Johannes finden wir entsprechend auch eine reiche Bildsprache, aber sie wird gefüllt mit der Botschaft Christi und will keinen Raum lassen für Spekulationen und Berechnungen. Die "Bilder" sind dem Johannes vom HERRN in Visionen gezeigt worden. Die Offenbarung des Johannes ist ein bewusst christliches Gegenstück zu den damaligen aufgeheizten, spekulativen jüdisch-apokalyptischen Schriften über das Weltende. Im Gegensatz zu diesen gibt es nur eine christliche Apokalypse (Enthüllung der Geheimnisse Gottes) und zeugt allein von Jesu Sieg am Ende der Zeit.

 

Leider haben christliche Sondergruppen und Schwärmer die Offenbarung des Johannes wie die jüdischen Apokalyptiker verstanden und ausgelegt: Suche an welcher Stelle der Weltgeschichte man gerade stehe, verbunden mit Zeitberechnungen und vermeintlicher Entdeckung völlig neuer (geheimer) Glaubensinhalte. Man versteht die dem Johannes von Christus offenbarten Visionen in ihrer reichen Bildersprache nicht symbolisch, sondern als einen genauen Zeitplan der Endzeit und fotografisch genauer Schilderung kommender Ereignisse.

 

Die Offenbarung des Johannes gehört zwar zum Kanon der Bibel, jedoch zu den so genannten Antilegommena. Also zu den wenigen neutestamentlichen Schriften, die zwar von der Mehrheit der Gemeinden als vom Apostel Johannes geschrieben und als göttlich inspiriert anerkannt und auch im Gottesdienst gelesen wurden, aber eben nicht von allen. Aus diesem Grunde und aufgrund der Bildsprache der Offenbarung können um der Gewissheit und Eindeutigkeit willen aus ihr keine (zusätzlichen) Glaubenssätze geschöpft werden, die sich nicht auch in den anderen klaren neutestamentlichen Schriften finden.

 

Zum rechten Verständnis und rechter Auslegung der Offenbarung des Johannes muss berücksichtigt werden, dass

  • die Bildsprache als solche und damit eben nicht wörtlich zu verstehen ist (1000-jähriges Reich, Offb. 20; 144.000 Erlöste, Offb. 14),

  • die Bilder mit den klaren neutestamentlichen Schriften, dem damaligen Verständnis der Bilder und den damaligen politisch-religiösen Zeitumständen zu entschlüsseln sind,

  • in den Bildern miteinander verwoben sind:

a) die Lage und Bedrängnis der Gemeinde zur 

    Zeit des Johannes,

b) eine Weissagung, was die Gemeinden in Kürze     

    erleben werden,

c) Weissagungen, was die Kirche zum Weltende hin

    erfahren werde.

Aufgrund dieser Vermischung der Bildaussagen können wir nicht klar trennen und sagen, was schon eingetreten ist und an welcher Stelle der Weltgeschichte auf der Zeitachse wir uns gerade befinden. Es ist vergleichbar mit der Rede Jesu (Mt. 24), in der er prophetisch von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels (70 n. Chr. Durch die Römer) und zugleich vom Weltende spricht.

 

In der Offenbarung des Johannes wird konkret bildhaft verwoben dargestellt:

  • der damals gegenwärtige, in den sieben Sendschreiben kritisierte Zustand der Gemeinden,

  • die damals gegenwärtige Verfolgung der Gemeinden durch die römische Staatsmacht, weil die Christen dem Kaiserkult widerstanden,

  • die zu erwartende sich noch steigernde Verfolgung der Kirche bis zum Weltende durch die antichristliche Macht,

  • der Sieg und das Gericht Christi über die gottesfeindlichen Mächte und die Verheißungen Christi an die Gemeinde,

  • ein bildhafter Abriss der Heilsgeschichte in Jesus Christus bis zu ihrer Erfüllung.

Aufgrund dieser verwobenen Darstellungsweise sind eindeutige Einzelvoraussagen und jegliche Terminierungen ausgeschlossen. Es soll uns nur ganz allgemein etwas gesagt werden über die Anfeindungen, das mächtige Aufbäumen der Bosheit, personifiziert im Antichristen und daraus resultierend, etwas über die Bedrängnis und Verfolgung der Gemeinde. Dabei werden „Horrorbilder“ gezeigt und die treffen doch die grausame Realität in der Welt. Immer wieder gab und gibt es Horrorszenarien in der Weltgeschichte. Wenn aber der Höhepunkt erreicht ist, wird Christus dem ein endgültiges Ende setzen. Deshalb kann sich die Gemeinde Jesu zu allen Zeiten in Bedrängnis und Verfolgung in der Offenbarung des Johannes wiederfinden und von dort Bewältigung des Horrors und den Trost und die Gewissheit empfangen, dass Christus der Sieger ist und die Gemeinde Christi am Sieg teilhaben wird: Lasst euch nicht verführen, seid treu und getrost. Betet allein den dreieinigen Gott an, Christus ist der König der Könige – und nicht die weltlichen Machthaber, die euch bedrängen – Christus hat die Macht und den Sieg und mit ihm seine Kirche.

 

Die Offenbarung des Johannes ist für die Gemeinde Christi zu allen Zeiten aktuell:

  • Der Zustand der Gemeinden über alle Zeiten entspricht dem der sieben Gemeinden in Asien (Offb. 2 – 3,21),

  • Im Laufe der Geschichte ergehen immer wieder Kriege, ,Katastrophen. Hungersnöte, Inflation, Seuchen usw. und streben einem Höhepunkt zu, was Jesus schon in Mt. 24 gesagt hat (7 Siegel, 7 Posaunen, 7 Schalen, die aber keine chronologischen Abläufe voraussagen; Offb. 6,1-17; 8,1; 8,6 – 9,21; 11,14-19; 16,1-14; Kap. 16 – 20).

  • Bestimmte Machthaber gebärden sich als „Lichtgestalten und Heilsbringer“, beanspruchen göttliche Verehrung und setzen sich so an Christi statt. So sind sie falscher Christus, Gegen-Christus, Antichrist (Mt. 24,24; Mk. 13,22; 1. Joh. 2,18.22). Obwohl in der Offenbarung des Johannes der Antichrist nicht ausdrücklich genannt ist, so steht er doch inhaltlich hinter vielen der Bildern. Der Antichrist ist menschliches Werkzeug oder Verkörperung des Satans - der „Christus des Satans“. Daniel spricht verschlüsselt vom alttestamentlichen Vorläufer des Antichristen, nämlich von Antiochus IV. Epiphanes von Syrien (175 – 164 v. Chr.), der die Juden hellenisieren wollte, den jüdischen Tempeldienst verbot und im Tempel ein Zeusbild aufstellen ließ. Zur Zeit des Johannes war es der römische Kaiser Domitian (81 – 96), der seine göttliche Verehrung per Gesetz befohlen hatte (Offb. 13), zur Zeit der Reformation der Papst, der von Christus ablenkt, die Rechtfertigung aus Gnaden durch den Glauben bekämpft und für sich Verehrung und göttlichen Gehorsam beansprucht und im Tempel Gottes sitzt (2.Thess. 2,4). In der Neuzeit ist es der Personenkult um Napoleon, Hitler, Stalin... Antichristusse sind Machthaber, die göttliche Verehrung ihrer Person fordern und nach der Seele der Menschen greifen (Ideologen), was kein Mensch beanspruchen darf (Mt. 22,21).

  • Der Kampf des Satans durch seinen Antichristen gegen die Gemeinde Christi währt bis zum Jüngsten Tag, aber Christus ist der Sieger und Richter.

 

Der Herr spricht:

"Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende" (Offb. 22, 13).

 

Einzelne bildhafte Verschlüsselungen, die den Zeitgenossen des Johannes wohl geläufig waren:

  • Die häufig wiederkehrende 7 steht für Fülle und abgeschlossene Vollkommenheit.

  • Der Drache steht für den Satan (Offb. 12),

  • der falsche weiße Königs- Reiter (Antichrist) mit seinem bösen Gefolge (Offb. 6,2), steht im Gegensatz zum echten weißen königlichen Siegesreiter Christus (Offb. 19, 11ff.).

  • Das „Tier“, das aus dem Völkermeer emporkommt (Offb. 13), ist der Feind der Gemeinde und steht im Gegensatz zu Christus, dem Lamm.

  • Die Zahl 666 steht für den römischen Kaiser zu Lebzeiten des Johannes, entweder für Nero oder für Domitian, der die göttliche Verehrung einforderte.

  • Das alttestamentliche feindliche götzendienerische  Babylon (Offb. 17,18) steht für Rom, im Gegensatz dazu steht das Neue Jerusalem (Offb. 21) für die Ewigkeit Gottes.

  • Das Weib, das den Christus gebiert (Offb. 12), steht für das Gottesvolk des wahren Israel. Im Gegensatz dazu steht das Hurenweib Babylon (= Rom), das den Feind (Antichrist) hervorbringt, mit Häuptern und Hörnern ( = Königen und Macht). Dieses "Gegenreich" geht unausweichlich dem göttlichen Gericht entgegen, beginnend mit Selbstzerfleischung.

  • Die Zahl der 144.000 Erlösten steht für 12 x 12 x 1000 und meint: die 12 Stämme Israel (Vollzahl des Volks Israels) x 12 Völker der Heiden (= Vollzahl der Heiden) x 1000 als unendliche Größe und Anzahl = gemeint sind also alle durch Christus Erlösten, die Gemeinde / Kirche Christi aller Zeiten.
  • Die 1000 Jahre der Herrschaft Christi meint eine unbestimmt lange Zeit (Zeitalter). Jesu Herrschaft ist in dieser langen Zeit eine geistliche, den Augen verborgene, die mit seinem Kommen in die Welt begonnen hat (Jesu Predigt, dass das Reich, die Herrschaft Gottes, mit ihm gekommen ist, sein Reich aber nicht von dieser Welt ist). Erst mit seiner Wiederkunft wird seine  Herrschaft in Macht und Herrlichkeit sichtbar werden. 

 

Detlef Löhde

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