Bedeutung des Alten Testaments
„Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in den letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn“, Hebr. 1, 1.
Inhalt des Alten Testaments:
I.
Fünf Bücher Mose, der „Pentateuch“, jüd. die
„Torah“ (= Gebot, Weisung, Gesetz), wichtigste Bücher der Juden.
Gott macht uns durch sein Handeln in der Geschichte sein Wesen und seinen Heilswillen mehr und mehr bekannt – Offenbarung
(„Gottesbild“ - 2. Mose 34, 6; 5. Mose 6, 4 Schma Israel) und das „Menschenbild“ (Ebenbild Gottes – 1. Mose 1, 27, der zum Sünder geworden ist 1. Mose
3).
1. Buch Mose (Genesis - Anfang) vom Anfang der Welt und der Menschheit.
Die Worte der Urgeschichte, 1. Mose 1-11, lassen viele Fragen offen, so wie auch die Worte des NT über das Ende der Welt und wie die Ewigkeit sein wird, viele Fragen offen lassen. Gott hat uns nur das offenbart, was für unser Heil wichtig ist. Gottes Handeln bleibt uns aber auch ein Stück weit verborgen und unerklärlich und in so weit ein Geheimnis (Mysterium). Die Kritik seitens der biologischen Evolutionstheorie und Anthropologie, der Geologie, Paläontologie und Astronomie kann auf Ebene der Naturwissenschaften weitgehend nicht widerlegt werden.
Beginn der Heilsgeschichte, Erzvätergeschichten,
die Heilslinie beginnt mit der Erwählung Abrahams 1. Mose 12-25
und die Erzväter Isaak und Jakob = Israel und die Josefsgeschichte 1. Mose 26-50.
Im Laufe der Heilgeschichte erfahren die Menschen immer mehr von Gott, Gott macht sich ihnen immer bekannter - ein „pädagogisches“ Fortschreiten der Offenbarung Gottes.
2. Buch Mose (Exodus - Auszug), Gott befreit Israel mit Mose aus Ägypten, Bundesschluss am Berg Sinai mit Geboten für Israel.
a) Gebote, die für alle Menschen gelten - ethische Gesetze, die jeder Mensch im Gewissen hat, denn er ist auf eine Beziehung zu Gott hin geschaffen (Ebenbild Gottes, Röm. 2, 14 ff.)
und
b) Gebote, die speziell für Israel für die Zeit des Alten Bundes gelten,
nämlich Gebote des Bundes (Beschneidung), der Gottesverehrung (zeremonielle, kultische Gebote), Reinheits- u. Speisegebote, insgesamt 613 Gebote, einschließlich der 10 Gebote.
Von den göttlichen Gesetzen des AT für Israel gelten uns nur
die, die sich im NT wiederfinden. Wobei diese dann aber vertieft und verschärft werden - Jesu Bergpredigt.
Die Zehn Gebote (2. Mose 20, beinhalten vor allem a), das auch vorhandene b) wird von der Kirche und Luther zu Recht „verchristlicht“, nämlich das Bilderverbot, das Namensgebot Jahwe, das Sabbatgebot (vgl. Kleinen Katechismus Martin Luthers).
Nach dem Auszug Israels aus Ägypten folgt die Strafe der 40 jährigen Wüstenwanderung.
3. Buch Mose (Leviticus – Tempel- u. Opferdienstdienst) und 4. Buch Mose (Numeri – weil viele Zahlen enthalten) mit weiteren kultischen Geboten für die Priester, die Stiftshütte, den Opferdienst, die Feste aber auch für das äußere Leben des Volkes, z.B. Strafvorschriften, Zinsverbot, Kleidervorschriften …
ab 4. Mose 11 weitere Erzählung von der Wüstenwanderung und
Landverteilung Kanaans.
5. Buch Mose (Deuteronomium – Zweites Gesetz, Wiederholung des Gesetzes)
Reden des Mose und Weitergang der Erzählung von Israel in der Wüste, Vorbereitung auf die Landnahme Kanaans.
II.
Die Bücher Josua und Richter – Eroberung Kanaans und Kämpfe mit heidn. Völkern
III.
2 Bücher Samuel, 2 Bücher Könige, 2 Bücher Chronik
Von den Königen Israels: Saul, David, Salomo, den Königen des Nordreiches Israel und des Südreiches Juda, Vernichtung des Nordreiches, Babylon. Gefangenschaft des Südreiches,
IV.
17 Prophetenbücher mit den Warnungen und Verheißungen der Propheten,
V.
Bücher Esra, Nehemia, Ester von Babylon, der Rückkehr und dem Neubeginn in Jerusalem
VI.
Psalmen, Buch Hiob, Sprüche, Prediger und Hohelied Salomos
Das AT soll uns wissen
lassen
-
Wie Gott ist und wie er mit den Menschen handelt (Gottesbild des AT) und wie der Mensch ist, insbesondere nach dem Sündenfall (Menschenbild)
-
Dass Gott in die Geschichte lenkend eingegriffen hat und mit den Menschen eine Geschichte und einen Weg begonnen hat, der sie zum Heil führen soll – Heilsgeschichte.
Der jüdische und christliche Glaube ist in Ereignissen der realen
Geschichte verankert und beruht nicht auf Mythen, die weder
einen zeitlichen noch örtlichen Bezug haben!
-
Vom Verhältnis zwischen Gott und Mensch erzählt das AT von der ständigen Wiederholung:
Gott wendet sich den Menschen zu, redet zu ihnen, gibt und schenkt ihnen - der Mensch aber ist ungehorsam und rebellisch, wendet sich von Gott ab – sündigt - Gott straft hart, bei Reue vergibt Gott und gewährt einen Neuanfang - kurz danach aber sündigen die Menschen wieder... Dafür soll uns die Geschichte Israels Belehrung, Mahnung und Warnung sein.
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An vielen Stellen weist das AT über sich selbst
hinaus. Es wird deutlich, dass es nicht Gottes letzte Offenbarung ist. Das AT nährt die Erwartung und drängt zum Fortgang der Heilsgeschichte, zur Erfüllung.
Durch das ganze AT zieht sich dann die Verheißung, dass Gott einmal seinem Volk und den Menschen aller Völker einen Retter, Erlöser, den Messias, den Christus senden werde, der Hilfe bringt (Jesus = Jahwe/Gott hilft) und alles neu macht. Die Verheißungen beginnen mit Andeutungen, werden dann aber immer konkreter, Höhepunkt Jesaja.
Wir begegnen im AT auch immer wieder einer sogenannten „Typologie“. Ereignisse die sich mit Jesus abspielen, sind schon im AT vorgebildet. Sie waren „Schatten auf das Künftige“ (Kol. 2, 17; Hebr. 10, 1): Abraham soll Isaak opfern, die Tempelopfer, der Hohepriester, das Passahmahl, Melchisedek, der Lebenslauf des Josef, des Hiob, Jona im Fischbauch...
Da nun Christus gekommen ist, müssen wir das AT unter dem Gesichtspunkt der Verheißung auf Christus und der Erfüllung in Christus lesen, verstehen und auslegen. Das gilt auch für Predigten über das AT. Jesus Christus ist die Mitte der Offenbarung Gottes, der Bibel, ja, auch des AT und muss es auch in der Verkündigung der Kirche sein.
Augustinus sagt, das AT ist das verhüllte (verborgene) NT und das NT ist das enthüllte (erfüllte) AT.
Wir lesen die Texte des AT und fragen: Was war den Menschen der damaligen Zeit mit diesen gesagt und wie haben sie diese damals verstanden? Wie war der historische Hintergrund? Welche Erkenntnis nehmen wir nun heute aus diesem Text, die wir um die Erfüllung des AT, um das Kommen und die Botschaft Jesu in Christus wissen?
Allgemein gilt, wenn wir wissen
wollen, was Gott uns mit den biblischen Texten sagen will, müssen wir die Texte befragen:
Was sagt Gott über sich und seinen Willen für uns?
-
Welche Sünden, welche Irrwege, welche falschen Glaubensvorstellungen werden im Text aufgezeigt? Erkennen wir Vergleichbares in unserer Zeit, in unserem persönlichen Verhalten und Leben? Das ist die Anfrage und Anklage des göttlichen Gesetzes und der Ruf zur Umkehr, zur Buße.
-
Mit welchen Worten wird ein Ausweg gezeigt, wird auf Gottes Gnade und Vergebung gewiesen (Evangelium = frohe Botschaft)? Sollten einmal solche Worte im unmittelbaren Text fehlen, so dürfen wir getrost solche aus anderen Abschnitten dazu nehmen. Denn wir kennen die Heilsgeschichte und den Heilswillen Gottes und das Gnadenangebot der Vergebung der Sünden im Namen seines Sohnes Jesus Christus (Röm. 5, 1.2.8-10).
Das AT - Entstehung, Verfasser,
Kanon
Im Rahmen der Erforschung der
Entstehungsgeschichte des AT wurden unzählige, teils sich gegenseitig widersprechende Hypothesen zu den einzelnen biblischen Büchern und Schriften aufgestellt. Es wird behauptet, dass viele
Personen des AT nicht gelebt hätten, sondern nur literarische Erzählfiguren seien - Adam und Eva, Noah, Hiob, Jona, Mose, Abraham, David...
Die tradierten Verfasserschaften, Mose
und die Propheten und damit auch die Entstehungszeiten der biblischen Bücher werden in großem Umfang bestritten.
Die Bücher Mose stammten nicht von Mose (1500 v. Chr.), sondern wären erst viel später zur Königszeit (1000 v. Chr.) und in der babylonischen Gefangenschaft (600 v. Chr.) verfasst worden. Die Erzählungen der Urgeschichte wären nur altbabylonischen Mythen entlehnt. Im ersten Buch Mose fänden sich verschiedene Erzählstränge („Quellenscheidungstheorien“ - Jahwist, Elohist, Priesterschrift ), die später durch einen Redaktor vereinigt worden seien.
Dass den Büchern des Alten Testaments ein Entstehungsprozess vorausgegangen sein mag, der mit einer zunächst mündlichen Überlieferung begonnen hat, dann über schriftliche Vortexte bis hin zur endgültigen Abfassung gegangen ist, ist möglich, ja wahrscheinlich. Wobei aber zu berück-sichtigen ist, dass eine mündliche Überlieferung heiliger Texte nicht von vornherein als zu unsicher einzustufen ist. So können z.B. heute noch einzelne Muslime den gesamten Koran auswendig. Bei Mose ist zu bedenken, dass er am Hof des Pharao erzogen wurde und damit höchstwahrscheinlich auch schreiben konnte.
Die schriftlichen Überlieferungen heiliger Texte waren in Israel geradezu perfektioniert. So wurde bei Abschriften biblischer Schriften, u.a. die Anzahl der Buchstaben in jeder Zeile zur Kontrolle nachgezählt. Die 1947 in Qumram aufgefundene Jesaja-Rolle, geschrieben im 2. Jahrhundert vor Christus, stimmt mit dem Buch Jesaja in unseren heutigen Bibeln mit großer Genauigkeit überein. Das ist der Nachweis einer fehlerfreien schriftlichen Überlieferung über einen Zeitraum von über 2200 Jahren! In der Theologie besteht weitgehend Einigkeit, dass die ca. 3000 uns vorliegenden handschriftlich überlieferten biblischen Texte mit ihren Varianten zu weit über 90% übereinstimmen.
Für das Alte Testament war der Abschluss der Schriftwerdung (Kanon) schon vor dem Kommen Jesu erreicht (Übersetzung des AT ins Griechische, die Septuaginta, schon ab 250 v. Chr.). Und Jesus hat sich immer wieder auf das Alte Testament bezogen und sich zu ihm als dem Wort Gottes bekannt. Damit verliert der Entstehungsprozess mit den Fragen nach mündlichen Vorüber-lieferungen, Verfasserschaften, Redaktoren, Datierungen und Zuverlässigkeit der Überlieferungen seine theologische Bedeutung. Jesus hat das Alte Testament in der Form, wie es zu seiner Zeit im Gebrauch war, als Wort Gottes autorisiert. Oft sagt Jesus und die Evangelisten schreiben, „es steht geschrieben“, „habt ihr nicht gelesen“, „auf das erfüllt wird“.
So wie uns die Bibel heute vorliegt, so hat Gott sie gewollt (Inspiration 2. Tim. 3, 16) und uns als sein Wort gegeben, so hat er sie uns überliefern lassen. Es bleibt also immer nur zu fragen und unter Erleuchtung seines Geistes zu verstehen und zu glauben, was Gott uns im Einzelnen mit seinem Wort gesagt hat und heute der Welt und Kirche und auch uns persönlich sagen will (Hermeneutik, Exegese, Applikation).
D. L. Januar 2018