Ich-bin-Worte Jesu
Jesu „Ich-bin-Worte“ aus dem Evangelium des Johannes
Mit den Ich-bin-Worten Jesu tritt die Eigenart des Johannes-Evangeliums besonders deutlich hervor. Sie entfalten, was wir schon in der Einleitung (Joh. 1, 1-18) gehört haben: Die Menschen sollen erkennen, dass mit Jesus der ewige Sohn Gottes in die Welt gekommen ist, um uns die göttliche Gnade und Wahrheit zu bringen. Ja, aber was ist Wahrheit fragt Pilatus und so fragt auch die Welt. Jesus antwortet: „Ich bin geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme“ (Joh. 18, 37.38).
Das griechische Wort „aletheia“, das ins Deutsche mit „Wahrheit“ übersetzt ist, meint zugleich auch „Wirklichkeit“. Was also ist die Wirklichkeit? Göttliche Wahrheit und Wirklichkeit ist, dass Gott die Welt so geliebt hat, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (Joh. 3, 16). Diese Wahrheit und Wirklichkeit Gottes bezeugt Jesus in und mit seiner Person. Er spricht: „Ich bin's, der von sich selbst zeugt; und der Vater, der mich gesandt hat, zeugt auch von mir“ (Joh. 8, 18) und „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh. 14, 16). In Jesus sollen wir die Wahrheit und Wirklichkeit der Gnade Gottes, die er uns in und durch seinen Sohn erwiesen hat, erkennen - sollen in Jesus unser Heil - unseren Heiland erkennen.
Nehmen wir nun die Ich-bin-Worte Jesu in den Blick. In ihrem Satzaufbau und ihren auf Jesus zentrierten Aussagen gleichen sie sich weitgehend.
Jesus spricht:
- Ich bin das Brot des Lebens.
Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird
nimmermehr dürsten, Joh. 6,35.
- Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.
Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit, Joh. 6, 51.
- Ich bin das Licht der Welt.
Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis,
sondern wird das Licht des Lebens haben, Joh. 8, 12.
- Ich bin die Tür;
wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden, Joh. 10, 9.
- Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt, Joh. 11, 25.
- Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, Joh. 14, 6.
- Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, Joh. 15, 5.
Die Aussage der Ich-bin-Worte wird auch durch die Betonung der Satzteile bestimmt. Vom Deutschen sind wir geneigt, jeweils das Objekt Brot oder Licht am Satzende zu betonen. Dann aber werden die Worte aufgefasst, als würde das Wesen Christi nur irgendwie gleichnishaft umschrieben. Bei den Ich-bin-Worten ist jedoch das Subjekt „Ich“ am Satzanfang zu betonen. Weshalb? - Allgemein wird im Griechischen das „Ich“ nicht gesondert geschrieben, sondern wird nur aus dem folgenden Verb erschlossen. Separat wird das „Ich“ nur geschrieben, wenn damit eine besondere Bedeutung zum Ausdruck gebracht werden soll. Das geschriebene „Ich“ weist also auf Bezugspunkt und Zentrum der Ich-bin-Worte. Nicht die Objekt-Worte wie Brot, Licht, Leben und Weinstock füllen das „Ich“, sondern diese bekommen ihren Inhalt von dem „Ich“. Es gilt also nicht, sich durch Vergleiche mit Brot, Licht usw. an das „Ich“ heranzuarbeiten, sondern es gilt, das „Ich“ zu erkennen und zu verstehen und von ihm alles zu empfangen. Wer das „Ich“ erkennt, wer Jesus erkennt, der erfährt, wo und wer allein Brot des Lebens, wahres Licht (Joh. 1, 9), guter Hirte und wahrer Weinstock ist. Wer Jesus erkennt, der erkennt den Weg des Heils, göttliche Wahrheit und Wirklichkeit und erfährt von IHM Auferstehung und ewiges Leben.
Die vielen Aussageobjekte, die Jesus von sich nennt, nehmen Bezug auf Dinge des damaligen alltäglichen Lebens. Jeder isst Brot, sieht das Licht, geht durch Türen, begibt sich auf den Weg, begegnet Hirten, trinkt Wein. Nun könnte man denken, Jesus rede gleichnishaft von sich, um uns zu sagen, ihr braucht mich täglich und nötig so wie Brot, Licht, Türen... Das ist nicht falsch, doch schon die Frage nach Gottes Weg und Wahrheit geht über das Alltägliche hinaus. Und das Wort von der Auferstehung sprengt endgültig den Rahmen der Alltäglichkeit. Insgesamt sind Jesu Ich-bin-Worte mehr als nur ein Vergleich, sie greifen und zielen viel weiter und tiefer.
Zum rechten Verständnis der Ich-bin-Worte muss man die Eigenart der griechischen Sprache des Neuen Testaments beachten. Vor den Substantiven steht jeweils der bestimmte Artikel: das Brot, das Licht, die Tür... Im Griechischen wird sonst allgemein auf den bestimmten Artikel verzichtet. Er wird nur vor ein Wort gesetzt, wenn eine besondere, ja, einmalige Bedeutung des Wortes zum Ausdruck gebracht werden soll. So sprechen die Jünger und Apostel von Jesus als „dem Herrn“, der eben unvergleichlich ist, Joh. 21, 7; Apg. 11, 20; 1. Tim. 6, 15. Durch den bestimmten Artikel kommt ein Sinn in die Sätze, der über einen Vergleich hinaus auf eine Einmaligkeit weist. Mit dem vorangestellten bestimmten Artikel wird gesagt, dass es nur den einen wahren und wirklichen Herrn, nur das eine wahre und wirkliche Brot, nur das eine wahre und wirklich Licht, nur die eine wahre und wirkliche Tür, nur den einen wahren und wirklichen Hirten und Weinstock gibt, nämlich Jesus allein. Damit wird zugleich indirekt vor falschen Herren, vor falschem Brot, vor falschem Licht, vor falschen Hirten und Weinstöcken gewarnt. Bestätigt und verstärkt wird die Einmaligkeit mitunter noch mit adjektiven Zusätzen: das lebendige Brot, der gute Hirte, der wahre Weinstock.
Weshalb aber sagt Jesus „Ich bin das Brot, ich bin das Licht...“? Warum sagt Jesus nicht, ich gebe euch das Brot, ich bringe euch das Licht, ich zeige euch die Tür und den Weg? Weil Jesus will, dass wir unseren Blick zuerst auf ihn und dann erst auf das Objekt, auf die Gabe richten sollen. Von seiner sündig-egoistischen Natur her fragt der Mensch immer zuerst „Was bringt's mir“. So verhalten wir uns im irdischen und auch im geistig-geistlichen Bereich. Wie und woher bekommen wir zu Essen und zu Trinken, Glück und Sicherheit? Wie kommen wir in den Himmel? Könnten wir ein Wunder sehen oder die von uns erwünschte Gabe bekommen, dann wollten wir glauben (Joh. 6, 30 ff.). Erst wenn wir etwas Positives bekommen oder erfahren haben, erst dann schauen wir von der Gabe auf den Geber. Jesus will es aber gerade umgekehrt von uns.
Als die Juden Jesus baten, er möge ihnen das himmlische Brot des Lebens geben, da antwortete Jesus: Ich bin das Brot des Lebens – ich bin vom Himmel gekommen, glaubt an den Sohn. Da murrten die Juden über ihn und viele wandten sich von ihm ab (Joh. 6, 41 ff.). Sie wollten geistliches „Brot des Lebens“, wollten sich aber nicht auf Jesus einlassen. Doch Jesus selbst ist das Brot. Ohne, dass man zu ihm in ein nahes und dauerndes Verhältnis tritt, kann man es nicht bekommen. An Jesu Person entscheidet sich alles und hängt alles. Wer zuerst auf Jesus sieht, ihn erkennt und erfährt, wer er wahrhaft und wirklich ist, der hat auch schon die Gabe. Jesus selbst ist die Gabe. In und mit ihm schenkt sich uns Gott mit seinem Heil. Jesus ist Geber und zugleich Gabe.
Jesus ist nicht nur gleichnishaft wie das Brot, wie das Licht, wie die Tür, wie der Weg, wie der Weinstock, sondern Jesus in seiner Person ist das Brot, ist das Licht, ist die Tür, ist der Weg, ist der Weinstock. Die Worte des Alltags, von Jesus selbst in Beziehung zu sich gesetzt, bekommen eine Eigenständigkeit, werden zu einmaligen Neuworten mit ganz neuer Bedeutung (Neologismen). Mit und in Jesus selbst haben wir das Brot und das Licht des Lebens, die Tür und den Weg in den Himmel und den Weinstock, von dem wir Leben und Kraft empfangen (Joh. 15, 5-8). Jesus das Brot, das Licht, die Tür, der Weg, der Weinstock.
Unmittelbar nach den Ich-bin-Worten und in Bezug auf diese, ruft Jesus dann einladend: Wer zu mir kommt, wer mir nachfolgt, wer mir glaubt, wer in mir bleibt, der empfängt meine Gabe des ewigen Heils.
Wenn Jesus von sich als der „Ich-bin“ spricht, dann bezieht er sich auf den Namen Gottes, wie er dem Mose aus dem brennenden Dornbusch offenbart wurde (2. Mose 3, 13.14). Als Mose Gott nach seinem Namen gefragt hatte, antwortete ihm Gott: „Jahwe“. Der Name Jahwe kann in grammatischer Zukunftsform mit „Ich werde sein, der ich sein werde“ und zugleich auch in der Gegenwartsform mit „Ich bin, der ich bin“ übersetzt werden.
Jesus nimmt also mit seinen Ich-bin-Worten den Namen Gottes für sich in Anspruch. Auch bei anderen Gelegenheiten spricht Jesus von sich als der "Ich-bin" (Joh. 6, 20; 8,18; 8, 58; !8, 5.6.8). Denn Jesus ist das Wort Gottes, war Gott von Anfang, ist der Sohn Gottes (Joh. 1, 1.14). Dem Namen setzt er verschiedene Aussagen hinzu, wie: „Ich bin - das Brot, das vom Himmel gekommen ist“. Da sprachen die Juden (Joh. 6, 42): „Ist dieser nicht Jesus, Josefs Sohn, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wieso spricht er dann: Ich bin vom Himmel gekommen?“
Jesus als Gott zu erkennen, der vom Himmel gekommen und Mensch geworden ist, dazu will Johannes die Menschen mit seinem Evangelium hinführen, Joh, 1, 1-18. Mit Bezug auf die Schöpfungsgeschichte leitet er sein Evangelium ein. Schon von Ewigkeit, schon vor der Schöpfung, war das Wort, das Gott war, war schon der Sohn, durch den alles geschaffen wurde. Das Wort, der Sohn, ist in Jesus Mensch geworden. Er ist der Eingeborene, der Gott ist, in des Vaters Schoß. Durch ihn und in ihm ist die Gnade und Wahrheit Gottes zu uns gekommen.
Detlef Löhde
Jesus oder Joschua?
Manche evangelikalen Christen und messianische Juden meinen, statt dem gräzisierten Namen „Jesus“ den hebräischen Namen „Jehoschua“ oder davon die Kurzform „Joschua“ setzen zu sollen. Nun ist uns aber das gesamte Neue Testament von Gott in der damaligen Weltsprache griechisch und auch der Name des Sohnes in gräzisierter Form gegeben. Das bedeutet, das NT und Jesus ist für die Menschen der ganzen Welt gekommen und eben nicht nur für die Juden. Jesus ist der Heiland der ganzen Welt. Wie können wir dann eigenmächtig eine Rückübersetzung vornehmen wollen? Im Übrigen waren unter den Jüngern auch welche mit rein griechischem Namen wie Andreas, Philippus, oder hebräisch gräzisiertem Namen wie Johannes und Matthäus. Die Juden hatten ca. 300 Jahre unter griechischer Vorherrschaft gestanden und die griechische Sprache hatte als Weltsprache großen Einfluss genommen. Juden außerhalb Judäas hatten ihre Muttersprache zugunsten des Griechischen aufgegeben. In Jerusalem gab es griechischsprachige Synagogen.
Petrus spricht (Apg. 4, 12): „In keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ Und Paulus schreibt (Phil 2, 9): „Darum hat ihn Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr (Kyrios) ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“