Von der Erwartung der "Entrückung der Gemeinde"
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Im evangelikalen Bereich wird diesem Thema, das in Zusammenhang mit der Wiederkunft Christi
steht, große Bedeutung beigemessen. Von einer „Entrückung“ der Gläubigen hören wir vom Apostel Paulus (1. Thess. 4, 16-17):
„Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit.“
Wenn also Christus in Herrlichkeit zum Weltgericht wiederkommt (Mt. 24 u. 25), wird er seine dann lebende Gemeinde zu sich ziehen. Wie das genau geschehen wird,
sei getrost dahingestellt. Ein wortwörtliches Verständnis im Sinne eines „Wolken-Fahrzeugs“ ist nicht zwingend. Wir wissen um die Symbolträchtigkeit der „Wolke“, die in der Bibel als Verhüllung
der Gegenwart und des Handeln Gottes steht (2. Mose 13, 21; 16, 10; 24, 15 ff.; 33, 9; 40, 34 ff.; Dan. 7, 13; Mt. 17, 5; 24, 30; Apg. 1, 9).
Von seiner Wiederkunft hat uns der Herr Christus gesagt (Mt. 24), dass sich zuvor furchtbare Dinge auf Erden ereignen werden:
„Das aber ist der Anfang der Wehen. Dann werden sie euch der Bedrängnisse preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. Dann werden viele abfallen.. und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen... Wer aber beharrt bis an Ende, der wird selig werden... Und dann werden sie sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit“.
Soweit der unbestreitbare biblische Befund: Nach den „Wehen“, kommt der Herr zum Weltgericht und holt im selben Zuge seine Gemeinde zu sich. Das ist der Glaube der Kirche aller Zeiten.
Doch wurde in der Kirchengeschichte erstmals im Jahre 1830 vom Begründer der „Brüderbewegung“, John Nelson Darby, behauptet, Christus würde schon vor seiner Wiederkunft zum Weltgericht die Gemeinde zu sich hin entrücken. So würde sie den Bedrängnissen und dem Antichristen der letzten Zeit entgehen.
Er war mit einem schwarmgeistigen Mädchen, Margaret Macdonald, in Port Glasgow zusammengetroffen, die sich auf eine entsprechende Vision berief. Nach Darby würde also die Entrückung vor der in der Offenbarung des Johannes beschriebenen „großen Trübsal“, also vor Kapitel 6, geschehen. Er und seine Anhängerschaft verstehen die dem Johannes von Christus offenbarten Visionen in ihrer reichen Bildersprache nicht symbolisch, sondern als einen genauen Zeitplan der Endzeit.
Darbys Behauptung einer „vorzeitigen Entrückung“ fand Eingang in die angelsächsische Erweckung und auch in den deutschen Pietismus. Weite Verbreitung hat die Behauptung einer vorzeitigen Entrückung und die Sicht der Offenbarung als genauen Zeitplan der Endzeit über die Anmerkungen und Verweise der Scofield Bibel erfahren. Verschiedene Varianten einer vorzeitigen Entrückung folgten und folgen dem Darby-Konzept.
Nach der Behauptung der vorzeitigen Entrückung würde also Christus erst einmal mit der Wolke kommen, um die Gemeinde zu holen (1. Thess. 4, 16) und später dann noch einmal, um das Weltgericht zu halten. Von solcher zweimaligen Wiederkunft ist aber nirgendwo im Neuen Testament die Rede! Deshalb behaupten Vertreter der vorzeitigen Entrückung, dass diese verborgen und geheim geschehen würde. Dass also vor der großen Trübsal plötzlich Menschen unsichtbar verschwinden würden und ihre Umgebung nicht begreifen würde, was geschehen sei und wohin die Menschen verschwunden seien. Doch für solche geheime Entrückung gibt es im Neuen Testament überhaupt keinen Anhalt! Die Entrückung, von der Paulus schreibt, geschieht am Ende mit dem Kommen des Herrn in seiner göttlichen Herrlichkeit.
Insgesamt ist festzustellen, dass mit einer vorzeitigen Entrückung die Gemeinde Christi aus den letzten Bedrängnissen herausgenommen wäre. Doch der Herr Christus, die Apostel und gerade auch die Offenbarung des Johannes sagen anderes und haben die Gemeinde gemahnt, durch alle Bedrängnisse, Versuchungen und Verführungen bis zum Ende hindurch treu im Glauben zu beharren. Dass uns der Herr aus bedrängenden Situationen immer auch herausnehmen kann und er uns immer zur Seite steht (Mt. 28, 20), das aber ist uns Gewissheit, Stärke und Trost.
Detlef Löhde