Christliche Wurzeln des Grundgesetzes

 - Die Werte und Regeln des Zusammenlebens im Staat 

werden durch das Verständnis vom Menschen (Menschenbild) bestimmt -

Wer ist der Mensch? Ein sich zufällig hochentwickeltes Säugetier, bei dem sich das Stärkste wie ein Raubtier durchsetzt (Biologismus, Sozialdarwinismus – F. Nietzsche, A. Hitler)? Oder ist er Gottes Geschöpf? Hat der Mensch eine Aufgabe und Verantwortung? Woher kommt sie? Woher kommt das Gewissen? Ist der Mensch „gut“ oder „schlecht und böse“? Welchen Wert hat ein Mensch, ein Menschenleben? Gibt es unterschiedlich wertvolle Menschen?

 

Aus den Antworten ergibt sich das Menschenbild. Da die Fragen unterschiedlich beantwortet werden, gibt es etliche verschiedene Menschenbilder.

 

Die Antworten hängen auch davon ab, ob ich an Gott glaube, wie ich Gott verstehe, was er von mir erwartet. Das ist mein Gottesbild. Sein wahres Bild hat uns Gott in Jesus Christus gezeigt – so ist Gott! Das Gottesbild prägt dann auch das Menschenbild! Der menschenfreundliche gnädige Gott will, dass auch wir menschenfreundlich und barmherzig sind.

 

Extrem: Kollektives Menschenbild des absoluten Gehorsams (Kommunismus, Nationalsozialismus, Islamismus...)

 

Der Mensch hat den Machthabern und der Gemeinschaft (Kollektiv) in unbedingtem Gehorsam zu dienen und nützlich zu sein. Das bestimmt seinen Wert und setzt die Regeln. Der Einzelne ist nichts, die Gemeinschaft und der Machthaber ist alles. Wie in einem Ameisenstaat ist das Leben des Einzelnen nicht viel wert, das ist menschenverachtend. Dazu die kritische Analyse des Staatsphilosophen Karl Popper (1902-1994): „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, 1945

 

Neuzeitlich humanistisches Menschenbild (ohne religiöse Rückbindung und Orientierung)

 

Der Mensch und sein Wohlergehen ist einziges und letztes Ziel. Er fühlt sich keiner höheren Macht (Gott) verpflichtet. In Freiheit bestimmt er selbst Werte und Regeln des Lebens (Selbstbestimmung). Maßstab und letzte Instanz sind Vernunft, Wissenschaft und Natur. Sie nehmen die Stelle Gottes ein („Vergottung)“. Der Mensch sei an sich gut, er werde nur durch böse Umgebung (System, Gesellschaft) zum Bösen verleitet. Es kommt nicht aus ihm selbst. Obwohl nicht an Gott glaubend, bleibt doch das Gewissen und eine gefühlte Verantwortlichkeit, die zu einer humanistischen Ethik anhalten.

 

Christliches Menschenbild

 

Der Mensch ist von Gott zu seinem Bilde geschaffen. Von daher hat er seine Würde und Verantwortung vor Gott und den Menschen. Das bestimmt seine Werte und Regeln. Doch trägt der Mensch den Keim der Bosheit, die Sünde, in sich. Sein böses Handeln hat der Staat äußerlich abzuwehren und zu strafen. Die Kirche soll ihn zu innerer Buße, zum Glauben und gottgefälligem Leben leiten.

 

 

Die deutsche Verfassung – das Grundgesetz von 1949

 

 

Präambel (Vorwort): „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen hat sich das deutsche Volk dieses Grundgesetz gegeben.“

 

Die Geschichte hat gezeigt, dass staatliches Recht und Gesetz inhaltlich massives moralisches Unrecht sein kann. Deshalb stehen Volk und Staat unter der letzten Verantwortung vor Gott. Dem haben 1949 auch die humanistisch gesonnenen Abgeordneten zugestimmt im Sinne einer übergeordneten überstaatlichen Moral.

 

Art. 1, Abs. 1

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

 

Das entspricht dem christlichen Menschenbild: Verantwortung und Würde des Menschen, die er als Bild Gottes hat. Wer einen Menschen verletzt an Leib oder Seele, der vergreift sich indirekt an Gott. Deshalb Verbot von Folter, körperlichen Strafen und Ehrverletzungen durch den Staat. Humanisten teilen zwar den Gottesbezug nicht, aber das inhaltliche Verständnis von Menschenwürde.

 

Art. 1, Abs. 2

Das deutsche Volk bekennt sich darum zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten.“

 

Das Verständnis von Menschenwürde und Menschenrechten rühren sowohl aus dem christlichen als auch aus dem humanistischen Menschenbild. Sie sind jedem Menschen von Gott bzw. der Natur (Naturrecht) direkt gegeben, also nicht erst vom Staat verliehen. Der Staat hat sie zu respektieren und zu garantieren.

 

Die Menschenrechte in Artikel 1- 6 Grundgesetz

  • Menschenwürde, Art. 1

  • Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Leben, Unantastbarkeit des Körpers,

  • auf Freiheit, Art. 2,

  • Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, Art. 3,

    keine Benachteiligung oder Bevorzugung aufgrund des Geschlechts, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft,
  • Freiheit der Religion, Weltanschauung, des Gewissens, Art. 4,

  • Meinungsfreiheit, Freiheit von Presse, Kunst und Wissenschaft, Art. 5.

  • Schutz von Ehe und Familie und elterlicher Erziehung, Art. 6.

Diese Rechte stehen jedem Menschen von Geburt an zu. Das hat der Staat zu respektieren und zu garantieren!

 

Humanisten sagen, sie stehen dem Menschen von Natur aus zu (Naturrecht). Christen sagen, diese Rechte will Gott geschützt haben (Zehn Gebote). Vor Gott sind alle Menschen gleich wertvoll, seine Ebenbilder, sie sollen in Gerechtigkeit zusammen leben, einander dienen und Nächstenliebe (weltlich: Solidarität) üben.

 

Die „vorstaatlichen“ Grundwerte und Grundregeln stammen also aus Religion / Weltanschauung (Humanismus). Auf ihre Moral ist der Staat angewiesen! (Verfassungsrechtler E.W. Böckenförde, 1930 - 2019) Deshalb schützt er sie in eigenem Interesse. Die staatlichen Gesetze bauen auf diese Werte und Moral auf.

 

Aber dennoch haben Staat und Religion getrennte Aufgaben und Bereiche. Der Staat soll nicht die Religion bevormunden und auch umgekehrt die Religion den Staat nicht. Der Staat soll nicht nach der Seele des Menschen greifen wollen, sonst ist er ein totalitärer Staat. Die Religion soll nicht zu staatlicher Macht und zu Zwang greifen, sonst entsteht ein sogenannter „Gottesstaat“ (Theokratie), was dem Neuen Testament und auch dem Humanismus widerspricht.

 

 

 

               Trennung von Staat und Religion:

 

Staat

Auftrag:

Schutz und Förderung des leiblichen Lebens, erkennt Ehe, Familie und Eigentum an,

 

Religion

Auftrag:

Gottes Botschaft verkünden zum Heil der Seele.

 

Staat

greift nicht nach der Seele, kein totalitärer Anspruch, schafft keinen weltl. Religionsersatz, keine Staatsideologie,

 

Religion

greift nicht nach äußerer Macht im Staat, will nicht Staatsreligion sein, erstrebt keinen sogenannten „Gottesstaat“,

 

Staat

regiert mit Gesetzen, verpflichtet zu Gehorsam und Dienst,

soweit nötig Durchsetzung mit Polizei, Justiz und Militär,

 

Religion

gebraucht keinen äußeren Zwang, baut auf Freiwilligkeit, gebraucht nur das Wort und die Sakramente, leitet zum Glauben und gottgewolltem Leben an. 

 

 

Grundrechte (Bürgerrechte) der Deutschen

- Versammlungsfreiheit = Demonstrationen, Art. 8,                        - Vereinigungsfreiheit = Vereine, Gesellschaften, Gewerkschaften, Art. 9, Parteien, Art. 21,                                       - Bewegungsfreiheit in Deutschland, freie Wahl des Wohnorts, Art. 11,

- freie Berufswahl, Art. 12,

- Verbot die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen und einer Auslieferung eines Deutschen ans Ausland, Art. 16

- Wahlrecht, Art. 38, Abs. 2

 

Grundrechte (Bürgerrechte) für Jedermann

- Brief-, Postgeheimnis, einschließlich fernmündlicher, elektronischer, sozialer Medien, Art. 10,

 

- Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13,

- Garantie von Eigentum und Erbrecht, Art. 14,

- Asylrecht, Art. 16 a

- Petitionsrecht = Bitten u. Beschwerden an Behörden und Abgeordnete, Art. 17

- Gerichte anrufen, Art. 19, 2

Die Grundrechte dürfen nur durch ein mit 2/3 Mehrheit beschlossenes Gesetz eingeschränkt werden, z.B. zur Strafverfolgung oder zum Schutz der Allgemeinheit. Sie dürfen nur stückweise und nicht im Wesentlichen eingeschränkt werden. Zur Überprüfung kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden, Art. 19

 

Spannungen bei der Auslegung des Grundgesetzes und der Gesetzgebung

 

Da die Grundwerte sowohl aus einem christlichen als auch einem humanistischen Menschenbild fließen, kommt es bei ihrer Auslegung, bei der Gesetzgebung und Rechtsprechung zu Spannungen und Differenzen.

 

Während man sich anfangs (1949-1968) hauptsächlich am christlichen Menschenbild orientierte, orientiert man sich heute am neuzeitlich humanistischen Menschenbild (keine 50% des Volkes gehören noch zur Kirche).

 

Ohne Bindung an Gott und Bibel kann man dann aus dieser Sicht per Gesetz z.B. Schwangerschaftsabbruch, aktive Sterbehilfe, Ehe für Gleichgeschlechtliche, Wechsel des Geschlechts, Gotteslästerung, Pornografie, Prostitution als anerkannter Beruf, Lehrinhalte der Schulen, die dem christlichen Glauben entgegenstehen (z.B. Einzelaspekte zur Sexualkunde), ... zulassen.

 

Dagegen ist nach christlichem Verständnis der Grundwerte das alles so nicht möglich! Aber Christen haben die grundgesetzliche Freiheit, dabei nicht mitmachen zu müssen (Religions- und Gewissensfreiheit, Art. 4).

 

   Detlef Löhde, 13. Mai 2022